KULTUR LEBEN! KOLUMNE VON DR. ADAK PIRMORADY

Das Renaissance Theater in Berlin

Zur Eröffnung des außergewöhnlichen Raumes im Jahre 1922 wurde Gotthold Ephraim Lessings Stück “Miss Sara Sampson” gespielt. Heute ist es ein stiller Ort für Gegenwartsdramatik, die auf der Bühne des Art-Déco Baus nahe dem Ernst-Reuter-Platz präsentiert wird.

Es beeindruckt Betrachter und Besucher gleichermaßen, bietet ein überraschend abwechslungsreiches Programm, welches nicht ausschließlich auf die Kunstkritiker-Szene ausgerichtet ist. Auch Lesungen werden hier abgehalten.

Das Renaissance-Theater in Berlin-Charlottenburg ist ästhetisch auffallend mit seinen hohen farbigen Glasfenstern an der gewölbten Front. Interessant und einladend ist auch sein Inneres. Es verwöhnt in einer auf Präsentation ausgerichteten schönen Einrichtung – das Theater war eine Zeit lang ein Kino.

In einer Zeit, in der Kultur wieder droht den „wichtigen Themen des Lebens” wie der „Gesundheit” und der gesellschaftlichen Verpflichtung zur „Rücksichtnahme” untergeordnet zu sein, erlaubt das Renaissance Theater mir, mich vorsichtig und im Kleinen wieder zu besinnen, dass ein Leben ohne Kultur nicht möglich ist.

Wir sitzen in ausreichendem Abstand nebeneinander. Bewegen wir uns im Foyer, tragen wir unsere Masken. Vor dem Theater den kleinen Brunnen mit den bronzenen Enten betrachtend brauchen wir sie nicht. Wir schauen uns „Die Vodkagespräche” von Arne Donny Nielsen an. Gelesen wird sein Text von zwei großartigen Künstlerinnen, Caroline Eichhorn und Catrin Striebeck. Sie schenken dem Text eine Szene, sie sind der pulsierende Herzschlag – in der Inszenierung bestechend schön.

In diesem Theater sitzend, mich den Stimmen und schweren Fragen des Lebens hingebend, vergesse ich für einen Moment die „neue Realität”.

Wie viel kulturelles Leben lasse ich verantwortungsbewusst zu? Es ist wichtig, dass wir unsere Freiheit im Kleinen weiter leben. Es ist wichtig, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer Kunst und Kultur möglich werden/bleiben. Es ist wichtig, dass wir gesund bleiben und Rücksicht nehmen, dennoch sollten wir sinnhaft leben, fühlen und lernen.

Im Renaissance Theater ist es für mein Empfinden für einen kleinen Moment der Ewigkeit möglich, frei zu sein. In den Gedanken weit weit weg Abstand zu halten, sich und andere zu schützen und dennoch dem zu huldigen, was das Leben lebenswert macht.

Zudem konnten Studien zeigen, dass Kunst den Hormonstoffwechsel positiv beeinflussen kann, insbesondere Cortisol und Serotoninspiegel werden beeinflusst und können die Gesundheit und Lebensqualität stärken. Sollte es nicht Kunst auf Rezept geben?

Auf dem Heimweg – mein Partner und ich gehen schweigsam, jeder für sich nebeneinander her – bin ich dankbar für dieses wunderbare „kleine Theater mit der großen Weltbühne”, für diesen Raum, für diese kleine und so wertvolle Welt, die mächtig und heilsam ist.

Das Leben braucht Kultur, die Medizin braucht Kultur. Wir alle brauchen gerade jetzt Gesundheit und Nähe, statt Abstand, mit der Kultur.

Infos zur Autorin:

Dr. med. Adak Pirmorady Sehouli M.A.

Vorsitzende der Europäischen Künstlergilde für Medizin und Kultur 
Ärztin für Psychosomatik und Psychotherapie
Master of Arts
Kand. Psychoanalyse