NOGGO mit zwei wegweisenden Studien

NOGGO mit zwei wegweisenden Studien auf dem amerikanischen Krebskongress (ASCO) vertreten

Letzte Woche fand in Chicago der amerikanische Krebskongress statt, der mit fast 40.000 Teilnehmern nicht nur das weltweit größte, sondern auch das bedeutendste Forum der Krebsmedizin ist – und in diesem Jahr präsentierte die NOGGO e. V. (Nord-Ostdeutsche Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie) der internationalen Fachwelt gleich mit zwei Studien:

Erstmals belegter Überlebensvorteil für Frauen mit einem sogenannten platinresistenten Ovarial-, Tuben- oder Peritonealkarzinom mit einer neuartigen Krebsmedikamentenkombination.

Im Rahmen einer großen Studie aus Deutschland [1] mit einer Kombination aus Topotecan, welches aus der Pflanze Camptotheca acuminata gewonnen wird, und dem zielgerichteten Medikament Sorafenib, einem sog. Multi- Kinase-Hemmer, wurde die Wirksamkeit im direkten Vergleich mit der Standardtherapie mit Topotecan bei Patientinnen mit platinresistentem rezidiviertem Ovarialkarzinom verglichen. Unter dem sog. platinresistenten Ovarialkarzinom versteht man, dass der Tumor unter oder kurz nach einer platinhaltigen Standardchemotherapie wieder gewachsen (progredient) war. Bisher konnte für diese Therapiesituation noch kein Vorteil für das Gesamtüberleben durch eine Krebstherapie gezeigt werden.

Primärer Endpunkt der vorgestellten Studie war das progressionsfreie Überleben, als sekundärer Endpunkt wurde. das Gesamtüberleben untersucht. Wie sich im Ergebnis eindrucksvoll zeigte, profitierten die Patientinnen von der Kombinationstherapie mit Sorafinib: Das progressionsfreie Überleben in der „Sorafenib-Gruppe“ 6,7 Monate, in der Vergleichsgruppe hingegen nur 4,4 Monate. Noch deutlicher war der Unterschied im Hinblick auf das Gesamtüberleben mit 17,1 Monaten in dem experimentellen Studienarm und 10,1 unter der Standardgruppe. „Die Studie zeigt einen signifikanten Benefit der Kombinationstherapie im harten Endpunkt Überleben, es ist die bisher erste Studie weltweit, die für diese schwierige Krankheitssituation einen Vorteil für das Gesamtüberleben zeigen konnte und macht sowohl den Wissenschaftlern als auch
Patientinnen Mut “, erklärt Studienleiter Prof. Dr. med. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie der Charité Universitätsmedizin Berlin. „Zudem wurde die Sorafinib-basierte Therapie auch gut von den Patientinnen toleriert, der klare Überlebensvorteil ging zudem nicht zu Lasten der
Lebensqualität“.

Die zweite NOGGO-Studie [2], die in Chicago vorgestellt wurde, war eine prospektive Untersuchung zum Einfluss des Ernährungsstatus auf den Therapieerfolg bei Patienten mit Ovarial-, Tuben oder Peritonealkarzinom. „Diese Studie ist insofern wegweisend, da sie keine Behandlungsregime vergleicht, sondern einen von den Patienten mitunter selbst beeinflussbaren Risikofaktor untersucht“, so Sehouli. Die Studiezeigte im Ergebnis, dass die Mangelernährung (Malnutrition) ein unabhängiger und bisher sowohl klinisch als auch wissenschaftlich ungenügend beachteter unabhängiger Prädiktor einer inkompletten Zytoreduktion ist und darüber hinaus mit einem schlechteren Überleben einhergeht. „Zwar deckt sich letzteres mit unserer klinischen Erfahrung, aber letztlich war es für uns doch überraschend zu sehen, dass der Ernährungsstatus direkt mit der Zytoreduktion korreliert. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die unterstreicht, dass der Erfolg der Krebstherapie nicht nur von Medikamenten abhängt, sondern dass wir den Patienten im Ganzen im Blick haben müssen. Möglicherweise erreichen wir mit supportiven Maßnahmen, wie einer Ernährungstherapie, mehr Erfolge, als wir bislang angenommen haben. Es ist daher von großer Wichtigkeit, dass sich Forschungsorganisationen wie die NOGGO e.V. solchen Fragen annimmt, an denen die Industrie kein Forschungsinteresse hat.

[1] Jalid Sehouli, Felix Hilpert, Sven Mahner et al. Topotecan (T) ± sorafenib (S) in platinum- resistant ovarian cancer (PROC): A double-blind placebo-controlled randomized NOGGO–AGO intergroup Trial—TRIAS. J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr 5522)
http://meetinglibrary.asco.org/content/169468-176

[2] Jalid Sehouli, Paulina Ali, Elena Ioana Braicu et al. The impact of preoperative malnutrition on surgery outcome and overall survival in ovarian or peritoneal cancer patients: A prospective study. J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr 5574)
http://meetinglibrary.asco.org/content/170921-176

Für Interviews (inkl. Vermittlung von Patientenbeispielen) steht Ihnen zur Verfügung:
Prof. Dr. med. Jalid Sehouli
Europäisches Kompetenzzentrum für Eierstockkrebs,
Charité Universitätsmedizin Berlin, CVK, Klinik für Gynäkologie

Bitte wenden Sie sich mit Ihren Interviewanfragen an:
Dr. Bettina Albers
0174/2165629
albers@albersconcept.de

Was gab es sonst noch Wegweisendes
zur Therapie gynäkologischer Tumoren auf dem ASCO 2016?

Kurzinterview mit Prof. Dr. med. Jalid Sehouli, Europäisches Kompetenzzentrum für Eierstockkrebs, Charité Universitätsmedizin Berlin, CVK, Klinik für Gynäkologie.

Wichtigste Therapiesäulen bei der Behandlung des Ovarialkarzinoms sind nach wie vor Operation und die Chemotherapie. Gab es zu diesen „konventionellen“ Therapien neue Erkenntnisse?
Ja. Eine wegweisende neue Erkenntnis ist, dass Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom von einer intraperitonealen Chemotherapie profitieren können, wie eine randomisierte Studie an 275 Patientinnen zeigte [1]. Die Gruppe, die zusätzlich zur Standardtherapie eine Carboplatin-basierte intraperitoneale Chemotherapie erhalten hatte, schnitt bei in etwa gleicher Nebenwirkungsrate hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens besser ab. Bislang wurde dieses Verfahren vornehmlich bei Patientinnen im metastasierten Stadium oder nach R1/r2-Resektionen angewendet [2]. Nun wissen wir, dass auch Patientinnen ab dem FIGO-Stadium IIb mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Therapie profitieren. Leider lässt sich das im Moment nur mit dieser Einschränkung sagen, denn die Studie hatte eine zu geringe statistische Power, um abschließende Aussagen machen zu können. Dennoch gibt sie ein deutliches Signal, das zu einem stärkeren Einsatz der intraperitonealen Chemotherapie führen könnte.

Welche Rolle spielt die Hormontherapie beim Ovarialkarzinom?
Eine zunehmende! Eine aus dem ASCO vorgestellte Studie [3] verglich die hormonelle Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit serösen low-grade- Karzinomen im Stadium II-IV mit dem therapiefreien Intervall, der bisher Behandlungsstandard ist, nach Standardtherapie (zytoreduzierende Operation und platinbasierte Chemotherapie). Wie sich zeigte, verbesserte sich das progressionsfreie Überleben signifikant unter Hormonerhaltungstherapie und das Rückfallrisiko schien geringer. Da es sich um eine retrospektive Kohortenstudie handelte, muss das Ergebnis aber erst prospektiv validiert werden, bevor es den derzeitigen Therapiestandard beeinflussen kann.

Gibt es Neuigkeiten zur Erhaltungstherapie des Ovarialkarzinoms
mit zielgerichteten Substanzen?

Hervorzuheben ist eine Phase-II-Studie [4], die den Einsatz des PARP- Inhibitors Olaparib vs. Placebo in der Erhaltungstherapie untersuchte. Olaparib verbesserte das Gesamtüberleben (5-Jahres-Überleben betrug 29,2% in der Verum- und 20,4% in der Placebogruppe). Besonders deutlich profitierten Patientinnen mit BRCA1/2-Mutationen.

Besondere Aufmerksamkeit erfuhren in Chicago die Checkpoint-Inhibitoren,
die im Bereich des Melanoms oder Lungenkarzinoms zu großen Therapieerfolgen geführt haben. Welche Rolle spielen PD-1/PD- L1-Inhibitoren in der Therapie gynäkologischer Tumoren?

Auf dem Kongress wurde eine Studie [5] vorgestellt, die den Einsatz von Pembrolizumab bei Patientinnen mit nicht-resektierbaren oder metastasierten, PD-L1-positiven Zervixkarzinomen untersuchte – und auch hier zeigte diese Substanz einen vielversprechenden Effekt bei gutem Sicherheitsprogfil: Das Gesamtüberleben betrug im Median 9 Monate, mit einem 6-Monats-Überleben von 67%.

[1] OV21/PETROC: A randomized Gynecologic Cancer Intergroup (GCIG) phase II study of intraperitoneal (IP) versus intravenous (IV) chemotherapy following neoadjuvant chemotherapy and optimal debulking surgery in epithelial ovarian cancer (EOC). J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr LBA5503)

[2] Alberts DS, Liu PY, Hannigan EV et al.; Phase III study of intraperitoneal (IP) cisplatin (CDDP) / intravenous (IV) cyclophosphamide (CPA) vs. IV CDDP/IV CPA in patients with optimal disease stage III ovarian cancer: a SWOG – GOG – ECOG Intergroup study (INT 0051) Proc Am Soc Clin Oncol.1999, 14, 273

[3] David Marc Gershenson, Diane C. Bodurka et al. Hormonal maintenance therapy for women with low grade serous carcinoma of the ovary or peritoneum. J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr 5502)

[4] Jonathan A. Ledermann, Philipp Harter, Charlie Gourley et al. Overall survival (OS) in patients (pts) with platinum-sensitive relapsed serous ovarian cancer (PSR SOC) receiving olaparib maintenance monotherapy: An interim analysis. J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr 5501)

[5] Jean-Sebastien Frenel, Christophe Le Tourneau, Bert H. O’Neil et al. Pembrolizumab in patients with advanced cervical squamous cell cancer: Preliminary results from the phase Ib KEYNOTE-028 study. J Clin Oncol 34, 2016 (suppl; abstr 5515)