Integrative Medizin – Was sagt die Wissenschaft?

Schätzungen zufolge nutzt etwa die Hälfte der Patientinnen mit Eierstockkrebs komplementäre oder alternative Behandlungsformen. Die Suche nach Informationen hierzu kann jedoch frustrierend sein, denn häufig sind diese widersprüchlich oder schüren unrealistische Erwartungen. Ein großer Schritt wurde nun mit der neuen Leitlinie zur Komplementärmedizin in der Onkologie gemacht. Nach der Auswertung unzähliger Studien gibt es damit erstmals eine wissenschaftlich basierte Orientierung. Untersucht wurden Substanzen und Verfahren, die von Krebspatient:innen in Deutschland am häufigsten  genutzt werden. Im Folgenden haben wir Empfehlungen, die für Patientinnen mit Eierstock-, Eileiter- und Bauchfellkrebs relevant sind, zusammengefasst.

Die Leitlinie der höchsten Stufe 3 enthält mehr als 150 Empfehlungen zu unterschiedlichsten Substanzen und Verfahren. Bewertet wurden Nutzen und Risiken (Wirksamkeit, mögliche Wechsel- oder Nebenwirkungen). Eingeflossen sind zusätzlich Erfahrungen der beteiligten

Expert:innen und Selbsthilfegruppen.

Wie zuverlässig eine Empfehlung ist, lässt sich an der Formulierung erkennen:

  • „soll“: sehr sicher
  • „sollte“: relativ sicher
  • „kann“: Studienlage nicht ganz klar, ist einen Versuch wert.

Manchmal ist es auch für Expert:innen sehr schwer, die Wirkung zu beurteilen. Das mag unbefriedigend sein, gibt aber den aktuellen Wissensstand ehrlich wieder – der sich im Übrigen auch ändern kann. Was einem gut tut oder nicht, ist letztlich immer auch eine individuelle Erfahrung. Vor der Anwendung sollten Sie immer mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin sprechen.

Was kann helfen?

  • Körperliche Aktivität und Sport soll empfohlen werden, weil gut nachgewiesen ist, dass sich Fatigue, Angst und Depression, der Schlaf und die Lebensqualität dadurch verbessern.
  • Akupunktur sollte bei Tumorschmerzen angewendet werden. Sie kann darüber hinaus chemotherapiebedingte Nervenschmerzen sowie Fatigue und Hitzewallungen lindern. Es gibt auch Hinweise, dass Übelkeit und Erbrechen unter einer Chemotherapie mit Platin vorgebeugt werden kann.
  • Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion kann Wechseljahresbeschwerden lindern, die infolge der Therapie auftreten (z.B. Hitzewallungen) und sich positiv auf die Lebensqualität auswirken.
  • Akupressur kann bei Fatigue, (Tumor-)Schmerzen sowie gegen Übelkeit und Erbrechen unter einer Chemotherapie helfen.
  • Ginseng kann bei Fatigue eingesetzt werden.
  • Ingwer kann bei Fatigue eingesetzt werden.
  • Meditation kann zur Reduktion von Stress beitragen. Generell fördert Ruhe Heilungsprozesse.
  • Mistel kann als subkutane Gabe (Spritze unter die Haut) die Lebensqualität verbessern, ist jedoch in Form von Tabletten oder Kapseln nicht hilfreich.
  • Tai-Chi/Qigong kann die Lebensqualität verbessern.

Wo weiß man es nicht?

Zu folgenden Mitteln oder Methoden kann eine Empfehlung weder dafür noch dagegen gegeben werden, da es keine, zu wenige, widersprüchliche oder nur schlechte Studien gibt.

  • Bromelain, Papain zur Reduktion von Nebenwirkungen unter einer Chemotherapie.
  • Heilpilze (z.B. Maitake) zur Verbesserung der Lebensqualität.
  • Mariendistel z.B. gegen Leberschädigung aufgrund einer Chemotherapie.
  • Selen unklar, ob das Wachstum von Eierstockkrebs beeinflusst werden kann.
  • Shiatsu/Tuina zur Reduktion von Beschwerden, die durch den Tumor oder die Therapie verursacht werden.
  • Vitamin C als Infusion gegen Nebenwirkungen der Chemotherapie; als Tablette oder Kapsel definitiv nicht hilfreich.
  • Vitamin D – Ein Mangel sollte behoben werden. Es gibt Hinweise, dass sich Vitamin D bei Patientinnen mit Eierstockkrebs günstig auf die Lebenserwartung auswirken könnte.

 

Wovon wird abgeraten?

  • Amygdalin („Vitamin B17“), Aprikosenkerne kann zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen führen.
  • Carnitin, Magnesium, Kalzium, Glutathion zur Linderung von Nervenschmerzen.
  • Guarana gegen Fatigue.
  • Ketogene Diät (sehr fettreiche, kohlenhydratarme Ernährung) hilft nicht gegen Fatigue und verbessert auch nicht das Gedächtnis, kann aber zu Gewichtsverlust, Schwächegefühl und Abfall des Blutzuckers führen.
  • Reiki und Handauflegen gegen Angst/Ängstlichkeit, Depressivität, Fatigue, Schmerz und Übelkeit.
  • Vitamin E zur Linderung von Nervenschmerzen und Schleimhautentzündung durch eine Chemotherapie.
  • Zink gegen eine chemotherapiebedingte Schleimhautentzündung.
  • Einseitige Diäten.