Wenn elf Frauen ein Ganzes bilden, wenn sie gemeinsam für eine Sache stehen, dann handelt es sich um Frauenfußball. Nicht nur weil gerade die Europameisterschaft der Frauen gespielt wird und die deutsche Mannschaft von Martina Voss-Tecklenburg vor dem Finale steht und gegen die Französinnen spielen wird, sondern weil es gut ist, weil es wichtig ist. Es hat eine unglaubliche Symbolkraft, wenn Frauen sich in einer Formation strategisch anordnen.
Sich aufeinander verlassen und füreinander einstehen – das ist es, was wir als Frauen täglich miteinander leben sollten, darum sind sie so wichtig unsere Elf, weil sie es in einer wunderbaren Symbiose sportlich und spielerisch vorleben, aus Überzeugung, aus voller Kraft. Beeindruckend diese Energie, beachtenswert dieses miteinander. Wenngleich es die Kapitänin Alexandra Popp braucht, geht es hier nicht um Macht und Unterwerfung. Das bleibt meiner Meinung nach die große Kunst im Frauen- wie im Männerfußball. Zu führen, ohne zu unterwerfen. Ein Gemeinsames zu kreieren in dem „sich identifiziert werden kann“, ohne dass es autoritäre Führungskraft bräuchte. Das gelingt Euch, liebe Frauen Fußball Elf und dafür sind wir als Betrachter:innen dankbar. Auch lebt Ihr vor, was es in der Medizin braucht. Genesung braucht gemeinsames Denken, Behandlung braucht Verzahnung von Disziplinen, Kreativität und Mut neue Wege gemeinsam zu gehen. Unsere Frauen Elf lebt vor, was die Gesellschaft braucht, unsere Frauen Elf lebt vor, was die Medizin braucht, was Genesung fördert und Heilung stützen kann.
In der Gedenkminute zum Tode von Uwe Seeler wirkt die deutsche Elf ganz bei sich im Gesicht der Trainerin Voss-Tecklenburg, welches für einen kurzen Moment eingeblendet wird. Im Spiel gegen Österreich findet sich eine ungewöhnliche Ruhe und Insichgekehrtheit. Für einen kurzen Moment bevor das Spiel beginnt, darf es einen Rückzug in den Binnenraum geben, gefüllt von Ehrfurcht und Liebe. Liebe nicht zu einem Mann oder einer Frau. Liebe zu einer Energie, wie es Seeler eigen war. Eine Energie die lange bleiben wird, sich vereinen kann mit jenen, die sie verstehen können. Lebensfalten um die Augen zeigt das Gesicht von Martina Voss-Tecklenburg. Erfahrungen, Glück und Schmerz vereint in diesem Gesicht, in dem die Augen geschlossen verweilen und „kurz steht alles still“ bevor die elf Frauen ihre Trainerin, die Co-Trainerin und die Co-Trainer sowie Tausende Fans gemeinsam einem Spiel huldigen, welches eben ein Gemeinsames ist.
Uwe Seeler selbst ein Kriegskind. Hamburg 1943 von den Alliierten bombardiert, sein zu Hause. Bescheiden lebte die Familie. Seeler ist der jüngste von drei Kindern. Unnachgiebigkeit und Bescheidenheit werden ihm immer wieder nachgesagt. Tugenden die man nicht an jedem Fußballprofi selbstverständlich antrifft. Horrende Austauschsummen, unfassbare Gehälter, Druck und menschenrechtsverletzende Vereinsbesitzer dominieren die Landschaft. Wie ein Mysterium erscheinen da die Tugenden des am 21.07.22 verstorbenen Uwe, wie ihn die Hamburger liebevoll zu nennen wissen, in dieser nicht ganz ausschließlich vom Sportgedanken geführten Fußballwelt. Er gab er Hoffnung auf einen ehrlichen, verspielten, mutigen und experimentellen Fußball. Einen Fußball, den die deutschen Frauen 90 Minuten gegen die Österreicherinnen ausprobieren. Den rechten Fuß Uwe Seelers gibt es kein zweites Mal, jedoch seinen Teamgeist. Fußball, so sagte er, ist immer ein Mannschaftssport und Erfolge daher ein Gemeinschaftsverdienst.
Diesen Gedanken spürt man bei unseren Frauen. Diesen Gedanken braucht es, um zu siegen und das haben sie geschafft an diesem Fußballabend gegen die Österreichische Mannschaft. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg im kommenden Spiel gegen Frankreich und gänzlich unabhängig vom Gewinn oder Verlust, stehen wir hinter ihnen und haben schon so viel von ihnen beobachten und lernen können. Schließen möchte ich diese Kolumne mit einem Zitat aus dem ZDF Sportstudio über unseren Uwe: „Kraftvoll, ästhetisch, akrobatisch. Uwe Seelers Art Fußball zu spielen war einzigartig, die Faszination von seiner Spielart rückte uns Uwe automatisch in den Mittelpunkt, dorthin wo er selbst sich nie sah, Bescheidenheit war ihm eigen (…).“ Möge unsere Frauenelf noch lange Deine Haltung in sich weitertragen. Wir gedenken Deiner!